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Ein weiteres Märchen, das ihr sicher alle kennt, ist das von Frau Holle. Es erzählt von der Goldmarie und der Pechmarie. Wie die beiden “Maries” zu den verschiedenen Namen kamen, hängt mit Ursache und Wirkung zusammen. Im Fall der Goldmarie sind es die guten Taten und ihr gutes Herz, und im Fall der Pechmarie?

Frau Holle


Es war vor märchenhaft langer Zeit, da lebten bei einer Witwe zwei Mädchen. Das eine war faul und eitel, kämmte den lieben langen Tag die Haare und übte vor dem Spiegel schön auszusehen. Das andere Mädchen war das ganze Gegenteil: es lachte und sang von früh bis spät und war zu aller Welt freundlich. Beide Mädchen hießen Marie mit Namen. Das kam daher, dass die fröhliche Marie nicht die richtige Tochter der Witwe war, sondern nur eine später angenommene.
Zu dieser Zeit mussten Kinder schon früh im Haus mitarbeiten. Doch da die eine Marie so faul war, blieb die ganze Arbeit an der anderen Marie hängen.
Jeden Tag musste die fröhliche Marie an einem Brunnen vor dem Haus geschorene Wolle  zu einem Faden spinnen. Eines Tages geschah ein Unglück: Es war so viel Wolle zu spinnen, dass Marie die Finger blutig geworden waren, und etwas Blut war auch an die Spindel gekommen. Das wollte sie mit Brunnenwasser abwaschen. Da fiel ihr die Spule aus der Hand und tauchte im Brunnenwasser unter. Weinend lief Marie nach Hause und  erzählte, was geschehen war. Ihre Stiefmutter schimpfte: “Wenn du die Spule hast in den Brunnen fallen lassen, dann musst du sie auch wieder herausholen!” Mit diesen Worten jagte sie ihre Stieftochter aus dem Haus.
Die fröhliche Marie war ganz traurig geworden. Was sollte sie nur tun? Es fiel ihr keine andere Lösung ein, als in den Brunnen zu springen.
Sie klatschte auf dem Wasser auf, und sank wie ein Stein hinunter zum Grund. Doch der Grund war unglaublich weit unten, sie fiel und fiel und fiel und kam auf einer blumenübersäten Wiese an. Die Sonne schien vom Himmel und es war ein schöner Tag.
Verwundert schaute Marie sich um: “Wo bin ich hier gelandet?”, fragte sie sich und sie glaubte, vielleicht tot zu sein.
Da hörte sie eine Stimme: “Ach, zieh mich heraus, zieh mich heraus, sonst verbrenn ich, ich bin längst ausgebacken!”

Die Stimme kam von einem Ofen, der mitten auf der Wiese stand. Marie überlegte nicht lange, sondern schnappte sich den Brotschieber, der in der Nähe des Ofens an einem Baumstamm lehnte, holte die Brote, die sich darin befanden, schnell heraus und legte sie fein säuberlich nebeneinander ins grüne Gras.
Marie freute sich, so etwas hatte sie noch nie erlebt. Da hörte sie wieder eine Stimme rufen: “Ach, schüttel  mich, ach, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif!” Die  Stimme kam von einem Apfelbaum, der auf der Wiese stand. Marie  schüttelte den Baum, so dass alle Äpfel herunterfielen. Sie sammelte sie in einem Korb zusammen, der unter dem Baum stand.


Marie sprang fröhlich die Wiese entlang und freute sich, in dieser sonderbaren Welt gelandet zu sein. Plötzlich erblickte sie ein kleines Haus, daraus guckte eine alte Frau. Die hatte aber so große Zähne, dass es Marie Angst und Bange wurde, und sie wollte schnell weglaufen.
Die alte Frau aber rief: “Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, und wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll  dir's gut geh'n. Du musst nur acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle!”
Weil die alte Frau eine schöne freundliche Stimme hatte, und bis auf ihre großen Zähne eigentlich alles ganz normal wirkte, fasste sich das Mädchen ein Herz und willigte mutig ein. Von nun an arbeitete sie bei Frau Holle im Haus. Sie goss die Blumen, schrubbte den Boden, wusch das Geschirr, und das Wichtigste tat sie sogar am allerliebsten: sie schüttelte ihr die Bettdecke immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen.
Frau  Holle war sehr zufrieden mit Marie, und lobte sie oft, machte ihr kleine Geschenke und kochte jeden Tag etwas Köstliches. Marie war es noch niemals in ihrem Leben so gut gegangen.


Doch nach einer Weile wurde Marie traurig, sie wusste anfangs selbst nicht, was ihr fehlte, doch schließlich merkte sie, dass es Heimweh war. Obwohl es ihr doch hier bei Frau Holle tausendmal besser ging als zu Hause, so hatte es doch den Wunsch, wieder dorthin zurückzukehren.
Marie sprach also zu Frau Holle: “Ich verstehe mich ehrlich gesagt selbst nicht. Ich habe Heimweh, und obwohl es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen.”
Die Frau Holle antwortete: “Es gefällt mir, dass du Sehnsucht nach Hause hast, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.”
Sie nahm Marie bei der Hand und führte sie vor ein großes Tor. Das Tor wurde geöffnet, und als Marie gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihr hängen, so dass sie über und über davon bedeckt war.
“Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist”, sprach die Frau Holle und gab ihr auch die Spule wieder, die ihr in den Brunnen gefallen war.
Darauf schloss sich das Tor wieder, und Marie befand sich oben auf der Welt, nicht weit vom Haus ihrer Stiefmutter entfernt. Als Marie in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und krähte:


“Kikeriki, kikeriki,
unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.”


Da ging Marie hinein zu ihrer Mutter, und weil sie so mit Gold bedeckt ankam, wurde sie von ihr und der Schwester gut aufgenommen. Marie erzählte alles, was sie erlebt hatte, und als die Mutter hörte, wie sie zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie ihrer eigenen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie sollte alles so tun, wie es Marie  getan hatte. Die faule Marie setzte sich also an den Brunnen, und damit die Spule blutig wurde, stach sie sich in die Finger und stieß sich die  Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die blutige Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere Marie, auf der schöne  Wiese an und schaute sich um, ob sie den Backofen sehen würde. Als sie ihn erblickte, hörte sie das Brot schreien: “Ach, zieh mich heraus, zieh mich heraus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken!” Die  faule Marie aber antwortete: “Ich habe doch keine Lust, mich schmutzig  zu machen!”, und ging weiter. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief:  “Ach, schüttel mich, ach, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander  reif!”
Da antwortete die faule Marie: “So weit kommt es noch, es könnte mir ja einer auf den Kopf fallen!”, und ging weiter. Als sie vor dem Haus der Frau Holle ankam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und sie bot an, bei ihr den  Haushalt zu versorgen.
Am ersten Tag zwang sie sich dazu fleißig zu sein und tat alles, was Frau Holle von ihr verlangte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, und am vierten wollte sie morgens schon gar nicht mehr aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sie es sollte, und schüttelte es nicht so, dass die Federn aufflogen. Das war es der Frau Holle bald leid und sie sagte ihr, dass sie ihren Dienst nicht mehr brauche.

Die faule Marie war darüber sehr froh und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, doch als die faule Marie aber darunter stand, wurde statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. “Das ist zur Belohnung deiner Dienste”, sagte die Frau Holle und schloss das Tor zu.
Da kam die faule Marie heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, krähte:


“Kikeriki, kikeriki,
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.”


Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.

(Das Märchen wurde nacherzählt von Andrea Liebers, die Illustrationen stammen von Katja Moser-Zours)
 

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