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Achtsamkeit im Unterricht

 

Von Marei Müller, Lehrerin an einer Grundschule in Neuss

Im heutigen Zeitalter der permanenten Reizüberflutung und medialen Hochgeschwindigkeit erlebe ich es als Lehrerin täglich, dass der Begriff der Achtsamkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Immer häufiger haben wir in der Schule mit Kindern zu tun, die in ihrer Familie Stille gar nicht mehr erleben, da Radio, Fernsehen, Computer und Mobiltelefone teilweise sogar zeitgleich eingeschaltet sind und die Eindrücke unentwegt auf sie einströmen.

Kindern einen achtsamen Umgang miteinander und mit sich selbst zu vermitteln und diesen von Beginn an zu kultivieren, ist mir aus diesem Grund im Rahmen meiner Arbeit ein besonders großes Bedürfnis. Umso mehr freute es mich, als ich las, dass der Dalai Lama ebenfalls dafür plädiert, der Achtsamkeitspraxis einen festen Platz im Schulalltag zu geben. Auch die Tatsache, dass diese unabhängig von der religiösen Tradition des Einzelnen praktiziert werden kann und soll, bestärkte mich in meinem Handeln. Schließlich arbeite ich an einer Schule, die von Kindern verschiedenster Glaubensrichtungen besucht wird.

baerenlehrer1In den Anfängen war die Umsetzung gar nicht leicht, da viele Kinder von Haus aus Stille gar nicht gewohnt sind und daher verunsichert reagieren. Je öfter stille Phasen aber in den Unterricht eingebaut werden, desto eher lernen die Kinder, diese zu genießen und zu spüren, wie wohltuend Ruhe sein kann. In meinem dritten Schuljahr haben Achtsamkeitsübungen mittlerweile einen festen Platz im Tagesablauf und werden von den Kindern auch eingefordert.

Dies zeigt mir, dass durch regelmäßiges Üben auf Seiten der Kinder auch eine erhöhte Sensibilität für die eigenen körperlichen sowie seelischen Empfindungen entstehen kann.

So begann zum Beispiel ein Junge, der im Gottesdienst eine Fürbitte halten sollte und furchtbar aufgeregt war, vorne am Altar eine Sequenz aus unseren Übungen (Bauchatmung mit beiden Händen auf der Bauchdecke). Bis er an der Reihe war, hatte er sich soweit beruhigt, dass er vorlesen konnte.

baerenlehrer2Wie gerufen kamen mir somit die Bücher von Andrea Liebers. Denn nun haben "meine" Kinder neben den täglichen Übungen auch noch "bärenstarke" Unterstützung. Da die Bären mit ihren liebevoll angelegten Stärken und Schwächen die gleichen anfänglichen Probleme beim "Üben" haben, wurden sie von uns sofort ins Herz geschlossen. Die vom großen Ark erzählten Geschichten sorgten für angeregte Gespräche und Diskussionen. So hatten viele Kinder großes Verständnis für die Ungeduld des Jungpferdes Tanita: "Wenn ich weiß, dass ich bald Geburtstag hab, dann möchte ich die Zeit am liebsten vordrehen!" , erzählte ein Junge aus meiner Klasse. Auch das Thema Loyalität, welches in der Geschichte des Elefanten Emil eine Rolle spielt, der ein verwundetes Reh gesundpflegt und dem Gespött seiner Elefantenkumpels trotzt, berührte die Kinder sehr. Schließlich "müssen wir uns auch entscheiden, mit wem wir spielen!", sagte ein Mädchen aus meiner Klasse. "Ich hab letztens auch mit Anna gespielt, obwohl die anderen sagen, dass die nicht so schnell ist."

baerenlehrer3Entsprechend gespannt waren wir, als wir vom zweiten Bären-Band erfuhren, der in Arbeit ist. Frau Liebers  schickte uns das Manuskript und wieder wurden wir nicht enttäuscht: Neben den neuen, wundervoll nachdenklichen Geschichten mit kindgerechten Illustrationen, die unserem "bärenstarken Geist" einen Blick über den Tellerrand ermöglichten, lernten wir zu unseren üblichen Qi Gong Einheiten "Bären-Yoga"! Dies stellte eine wunderbare Ergänzung unserer täglichen Übungseinheiten dar.

Da es meiner Meinung nach kein "Patentrezept" für alle Schulklassen der Nation gibt, stelle ich meine Vorgehensweise hier nur beispielhaft dar. Letztendlich wissen Sie selbst am besten, ob die Kinder in Ihrer Lerngruppe eher meditative oder bewegungsbetonte Elemente brauchen.

Als Grundübung wählte ich den "Maulwurf, der ans Tageslicht kommt" (siehe Zuzana Sebková-Thaller) aus, da diese mir persönlich zusagte.

Ich finde es wichtig, dass man eine Übungsfolge wählt, die einem persönlich gefällt und gut tut. Nur dann kann man diese den Kindern authentisch vermitteln.

baerenlehrer4Hat man diese im Vorfeld selbst geübt und verinnerlicht, kann man sie den Kindern vertraut machen. Ich rate Ihnen, bei dieser einen Übung zu bleiben. Wenn diese ritualisiert ist, können Sie sie erweitern. Ich habe nach und nach Achtsamkeitsübungen aus Vera Kaltwassers Buch "Achtsamkeit in der Schule" hinzugenommen und neben "Bärenyoga" auch meditative Elemente (u.a. Ausweitungsmeditation), die mir Vera Mand (Yogalehrerin, Neuss) empfahl.

Wichtig ist es in meinen Augen auch, dass die Kinder nicht dazu gezwungen werden, mitzumachen. Ich habe mit meinen Kindern die Abmachung, dass die, die nicht teilnehmen möchten, sich aber ruhig verhalten und die anderen nicht stören. Meistens steigen diese Kinder im Laufe der Übung doch noch ein, denn: Dabei sein ist alles!

Ich hoffe, ich konnte es Ihnen schmackhaft machen, mit Ihren Kindern den Weg der Achtsamkeit zu gehen. Es lohnt sich. Nicht nur die positiven Auswirkungen auf Klassenklima, Lernverhalten und Konzentrationsfähigkeit werden sie in Ihrem Tun mehr und mehr bestätigen. Zudem geben Sie den Kindern Werkzeuge an die Hand, die ihnen für ihr späteres Leben nicht nur in Stresszeiten eine Hilfe sein werden.

 

Literatur:

Vera Kaltwasser: Achtsamkeit in der Schule, Originalausgabe Beltz Verlag 2013

Vera Kaltwasser: Persönlichkeit und Präsenz - Achtsamkeit im Lehrerberuf, 1. Aufl. Beltz Verlag 2010

Zuzana Sebková-Thaller: Der Maulwurf kommt ans Tageslicht, Hernoul-le-Fin Verlag 1998

 

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