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Vom Förster, der nie genug bekommen konnte

 

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguVor langer, langer Zeit lebte der Buddha einmal in den Wäldern Indiens als Elefant. Schon gleich nach seiner Geburt fiel er durch seine außergewöhnliche Schönheit auf: Sein Körper war strahlend weiß und glänzte wie Silber. Seine Augen waren wie dunkle Edelsteine, sein Mund war scharlachrot. Silbern mit Sprenkeln von rotem Gold funkelte sein Rüssel und seine vier Füße sahen aus wie mit glänzendem Lack poliert. Als er erwachsen geworden war, strömten alle Elefanten von den Bergen des Himalaya und von den Ebenen Indiens zusammen, um ihm zu folgen. Er führte eine riesige Herde an, die kaum zu überschauen war.

Irgendwann bemerkte der Elefant, dass die Elefanten nicht wirklich gut miteinander umgingen: sie stritten oft darüber, wer die schönsten Stoßzähne hätte, die stärkeren Elefanten versuchten ständig das beste Futter für sich zu ergattern, am Wasserloch drängten sie die kleineren Elefanten gewaltsam ab und hinderten sie am Baden, sie redeten schlecht übereinander und viele solcher unschönen Dinge mehr.

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguDeshalb beschloss der Elefant sich von der Herde abzusondern und allein in den Wäldern zu leben. Bald hörten die Tiere von den guten Taten, die er vollbrachte, und man nannte ihn nur noch den guten Elefanten. Eines Tages kam ein Förster in das Waldgebiet, in dem der gute Elefant lebte. Er war vom Weg abgekommen und irrte verzweifelt rufend umher: „ Hallo, hallo! Hört mich denn keiner? Ich brauche Hilfe!“

In seinen Augen stand die Angst geschrieben, denn er fürchtete von wilden Tieren überfall und gefressen zu werden.

Der gute Elefant hörte ihn und trabte neugierig in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Vielleicht konnte er dem armen Menschen helfen, ging es ihm durch den Sinn. Als der Förster den Elefanten näher kommen sah, rannte er verrückt vor Angst weg, denn allein lebende große Elefanten galten als extrem gefährlich.

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguDer gute Elefant sah, dass der Mann voller Panik vor ihm die Flucht ergriff, und blieb stehen. Als der Förster dies merkte, verlangsamte er seinen Lauf und blieb schließlich ebenfalls stehen. Doch als der gute Elefant sich wieder in Bewegung setzte, rannte der Förster erneut los und der Elefant blieb wieder stehen. Endlich merkte der Förster, dass der Elefant ihn nicht töten wollte, sondern ihm im Gegenteil anscheinend zu helfen versuchte. So blieb er stehen und wartete, dass der Elefant näher kam. Als der gute Elefant ziemlich nahe an ihn herangekommen war, fragte er den Förster: „ Warum rennst du schreiend und verzweifelt durch den Wald? Was ist los mit dir?“

Der Förster antwortete: „ Ich habe den Weg verloren und weiß nicht mehr, wie ich nach Hause komme. Ich habe schreckliche Angst vor wilden Tieren und Schlangen.“

Der gute Elefant lud den Förster ein mit zu seinem Lagerplatz zu kommen. Dort angelangt brachte er ihm frisches Obst, damit er sich stärken konnte. Bald schon war der Förster nicht mehr verzweifelt und fühlte sich wohl und geborgen.

„Heute werde ich dich zurück zu den Hütten der Menschen bringen!“, sprach der Elefant nach einigen Tagen und er beugte sich tief herunter, damit der Förster auf seinen Rücken klettern konnte.

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguAuf dem Rücken des Elefanten wurde der Förster nun durch den Dschungel getragen. Er merkte sich die auffälligen Stellen, denn er hatte schon einen Plan geschmiedet, der es nötig machte, dass er schon bald zurückkehren würde.

Schließlich setzte der gute Elefant den Förster an einer Landstraße ab. „Von hier aus ist es nicht mehr weit zur Stadt“, erklärte er. „Aber versprich mir bitte eines:  Sag niemanden, wo ich wohne, egal, ob dich jemand danach fragt oder nicht.“

Der Förster nickte und kletterte den Rücken des Elefanten herunter. Der gute Elefant machte kehrt und trottete zurück in seinen Dschungel.

Als der Förster in der Stadt ankam, durchstreifte er die Straßen und kam zum Markt, wo die Elfenbeinschnitzer ihre Waren verkauften. Er ging auf einen der Schnitzer zu und fragte, was er den für den Stoßzahn eines lebenden Elefanten bezahlen würde.

„Warum fragst du das?“, entgegnete der Schnitzer. „Der Stoßzahn eines lebenden Elefanten ist unwahrscheinlich wertvoll, viel wertvoller als der eines toten.“

„Ich kann dir einen bringen“, versprach der Förster.

Sie machten einen sehr guten Preis aus und der Förster machte sich sogleich auf den Weg zur Lagerstelle des guten Elefanten. Proviant und eine scharfe Säge hatte er auch mitgenommen.

Als er auf den Elefanten traf, fragte dieser: „ Was bringt dich denn so schnell wieder hierher?“

Der Förster antwortete: „Ich bin in einer schrecklichen Notlage. Ich habe im Moment keine Arbeit und ziemlich viele Schulden, die ich nicht zurückzahlen kann.“

Der gute Elefant sah ihn mitfühlend an.

Der Förster fuhr fort: „Deshalb dachte ich, wenn du mir ein Stück von deinem Stoßzahn geben könntest, könnte ich es verkaufen und meine Schulden tilgen.“

„ Hm“, sagt der Elefant. „Natürlich kannst du etwas von meinem Stoßzahn haben, wenn dir das hilft. Ich kann dir alle beide geben. Hast du eine scharfe Säge dabei?“

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguDer Förster nickte und zog seine Säge aus dem Sack, den er bei sich trug.

„Gut! Dann säge nun meine Stoßzähne ab.“ Der Elefant ging in die Knie, damit der Förster bequem die beiden Stoßzähne absägen konnte.

„Denk nur nicht, Förster, ich wüsste nicht, was für einen Preis du für die Stoßzähne bekommst. Aber für mich sind die unsichtbaren Stoßzähne der Weisheit und der Allwissenheit, mit denen ich zur Wahrheit aller Dinge vordringen kann, viel wertvoller“, rief der Elefant und trompetete so laut, dass der Boden des Dschungels davon erbebte.

Der Förster verstand nicht ganz, was der Elefant mit unsichtbaren Stoßzähnen meinte, und er schaute verlegen zu Boden. Er nahm die beiden abgesägten Stoßzähne, machte sich gleich auf den Heimweg zurück in die Stadt und verkaufte sie.

Ziemlich schnell aber hatte er alles Geld verprasst. Deshalb ging er wieder zurück zum guten Elefanten.

„Der Preis, den ich für deine beiden Stoßzähne bekommen habe, reichte gerade aus meine alten Schulden zu begleichen. Doch jetzt nage ich wieder am Hungertuch", sagte er, als der Elefant fragte, was ihn so schnell wieder herführte.

„Hm“, sagte der Elefant, der mit den beiden Stummeln im Gesicht nicht mehr ganz so majestätisch aussah wie vorher.

„Kann ich mir auch noch den Rest deiner Stoßzähne absägen?“, fragte der Förster dreist.

„Na gut“, willigte der gute Elefant ein und beugte die Knie, damit der Förster auch noch den Rest der Stoßzähne absägen konnte.

Es dauerte nicht lange, da kam der Förster ein drittes Mal zurück.

„Ich bin ja so unglücklich“, jammerte er. „Das Geld, das ich für den Rest deiner Stoßzähne bekommen habe, reichte gerade, um meine neuen Schulden zurückzuzahlen. Kannst du mir nicht auch noch die allerletzten Stummel deiner Stoßzähne geben?“

„Hm“, der gute Elefant überlegte nicht lange, sondern kniete sich vor dem Förster nieder. Der schob die Haut und das Fleisch zurück, in denen die Stummel lagen, und sägte auch den allerletzten Rest der Stoßzähne heraus. Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt. Der Elefant sah ihm nachdenklich, aber auch voller Mitgefühl nach. „Armer Kerl!“, dachte er. „Mir macht es nichts aus, ohne Stoßzähne herumzulaufen, aber du wirst dich durch deine Gier nur immer weiter ins Unglück stürzen.“ Der Elefant trottete gemächlich zurück in den undurchdringlichen Dschungel.

Förstereelefant, Bild: Abdul GuguKaum hatte der Förster ein paar Meter zurückgelegt, da begann die Erde zu beben und zu stöhnen. Erschrocken blieb der Elefant stehen und sah sich zum Förster um, der laut um Hilfe rief. Es war, als ob die Erde die Schlechtigkeit dieses Schufts nicht mehr länger ertragen könnte. Sie öffnete sich einen Spalt an der Stelle, wo der Förster mit den herausgesägten blutigen Strünken stand, und verschluckte ihn.

Ein Baumgeist, der in der Nähe seine Wohnstatt hatte, sang ein Liedchen, das der Wind in alle vier Himmelsrichtungen trug:

Wer undankbar ist, will immer mehr, je mehr er bekommt; nichts auf der Welt kann seine Gier befriedigen.

Nacherzählt von Andrea Liebers, Bilder von Abdul Gugu

 

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